Health Care & Krankenhaus & Vergaberecht 

Mit unseren Rundschreiben informieren wir die Geschäftsführungs- und Leitungsebene von Krankenhäusern über aus unserer Sicht wichtige rechtliche Entwicklungen im Krankenhaussektor.

BSG-Grundsatzentscheidung

Unzulässigkeit der Erhebung von Aufschlagszahlungen für vor dem 01.01.2022 eingeleitete Rechnungsprüfverfahren


Führt eine Abrechnungsprüfung nicht zu einer Minderung des Rechnungsbetrages, erhält das Krankenhaus eine Aufwandspauschale (§ 275c Abs. 1 Satz 2 SGB V). Im Rahmen des MDK- Reformgesetzes wurde dieser Regelung, die seit 2007 gilt, eine Verpflichtung der Krankenhäuser zur Zahlung eines Aufschlags hinzugefügt, der dann zu zahlen ist, wenn der Anteil unbeanstandeter Rechnungen eine bestimmte Quote unterschreitet. Intention des Gesetzgebers war mit dieser Regelung in § 275c Abs. 3 SGB V einen Anreiz zu regelkonformer Rechnungsstellung zu setzen. Zunächst war ein Inkrafttreten zum 01.01.2021 geplant. Pandemiebedingt trat die Regelung erst am 01.01.2022 in Kraft.

Mit Urteil vom 19. Oktober 2023, Az. B 1 KR 8/23 R hat das Bundessozialgericht (BSG) nun eine wesentliche Streitfrage um die sog. Strafzahlung, rechtstechnisch Aufschlag genannt, geklärt.


Sofern sich im Anschluss an ein Rechnungsprüfverfahren des Medizinischen Dienstes (MD) unstrittig eine Rechnungsminderung ergibt, bestimmt § 275c Abs. 3 Satz 1 SGB V, dass das Krankenhaus ab dem Jahr 2022 neben der Rückzahlung der Rechnungsdifferenz einen Aufschlag an die Krankenkasse zu zahlen hat. Die Krankenkassen nutzten die Unschärfe der Gesetzesformulierung aus, um Strafzahlungen auch für solche „beanstandete“ Abrechnungen zu fordern, bei welchen allein die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse im Jahr 2022 ergangen ist, die Rechnungsprüfung beim MD aber bereits im Jahr 2021 eingeleitet wurde.

Nach den zwischenzeitlich veröffentlichen Urteilsgründen des BSG greift das für Vergütungsvorschriften geltende Erfordernis einer strengen Wortauslegung hier nicht, sondern es hatte eine Auslegung nach den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden zu erfolgen. Nach der inneren Systematik der Regelungen von § 275 c Abs. 2 und 3 SGB V bestehe ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Rechnungsprüfung, Prüfquote und Aufschlagzahlungen. In den Jahren 2020 und 2021 habe eine feste Prüfquote von 5 % bzw. 12,5 % bestanden. Erst ab dem Jahr 2022 sei eine dynamisierte Prüfquote und Aufschlagszahlung eingeführt worden. Für die Zuordnung einer Prüfung zur geltenden Prüfquote ist der Zeitpunkt der Prüfungseinleitung gem. § 275 c Abs.2 Satz 3 SGB V maßgeblich. Die Höhe der Aufschlagzahlung ist nach der Konzeption des Gesetzes von der krankenhausindividuellen quartalsbezogenen Prüfquote abhängig. Der von der Krankenkasse für maßgeblich gehaltene Zeitpunkt der leistungsrechtlichen Entscheidung würde dazu führen, dass für Prüfungen, die innerhalb fester Prüfquoten (vor dem 01.01.2022) durchgeführt werden, später eine Aufschlagszahlung erhoben würde, für die keine Berechnungsregel existiere.

Praxishinweis

Die Argumentation des Bundessozialgerichts entspricht der gesetzgeberischen Intention: der Gesetzgeber hatte den Beginn der quartalsbezogenen Prüfquote und der Aufschlagszahlungen auf 2022 verschoben und dies mit den pandemiebedingten Belastungen
und Liquiditätsengpässen der Krankenhäuser begründet. Diesem Zweck würde eine nachträgliche Erhebung von Aufschlägen für vor dem 01.01.2022 begonnene Prüfungen von Rechnungen der Jahre 2020 und 2021 zuwiderlaufen.

Krankenhäusern empfehlen wir zu prüfen, ob Krankenkassen Aufschlagszahlungen für Abrechnungen geltend gemacht haben, bei welchen der Auftrag zur Rechnungsprüfung an den MD vor dem Jahr 2022 erteilt wurde. Sollte eine Krankenkasse Aufschlagszahlungen bereits aufgerechnet oder z.B. durch eine Zahlung des Krankenhauses erhalten haben, besteht bezüglich der zu Unrecht gezahlten Aufschlagszahlung grundsätzlich ein Rückforderungsrecht.

Bei Fragen zu den Aufschlagszahlungen nach § 275c Abs. 3 SGB V und der Wahrung Ihrer Rechte unterstützen wir Sie gerne.

Vergaberecht


VK Südbayern, Beschluss vom 5.6.2023 – 3194.Z3-3 01-22-54

  1. Ein öffentlicher Auftrag kann ohne vorherige europaweite Bekanntmachung im EU-Amtsblatt vergeben werden, wenn der Auftrag nach 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann.
  2. Der öffentliche Auftraggeber ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der bezuschlagte Bieter das einzige Unternehmen ist, das die Anforderungen des Auftraggebers erfüllen kann. Hierfür sind stichhaltige Belege beizubringen.
  3. Der vom öffentlichen Auftraggeber zu führende Nachweis des objektiven Fehlens von Wettbewerb muss durch eine umfassende Marktanalyse auf europäischer Ebene erfolgen.


Sachverhalt

In dem zu Grunde liegenden Sachverhalt bestand bei dem Auftraggeber der Bedarf an der Beschaffung eines 3-D-Laserlithografiesystems für wissenschaftliche Versuche. Im Rahmen einer Markterkundung tauschte sich der Auftraggeber mit Bieter A über die Leistungsmerkmale des letztlich beschafften Systems aus. Beim antragstellenden Bieter B hingegen nutzte der Auftraggeber zu Informationszwecken lediglich die Angaben, die dieser im Internet zu seinem System eingestellt hatte. Der Auftraggeber forderte im Anschluss Bieter A auf, sein Angebot noch formal abzugeben, und erteilte diesem dann den Auftrag. Den Vertragsschluss machte der Auftraggeber sodann im EU-Amtsblatt nachträglich bekannt. Im Vergabevermerk zu dieser Beschaffung führte der Auftraggeber aus, dass "das Produkt X der Fa. Y die einzige sinnvolle Wahl darstellt." Die technischen Notwendigkeiten würden nur von diesem Gerät vollständig erfüllt. Die Kompatibilität mit bereits erzeugten Druckstrategien komme als weiterer Vorteil hinzu. Bieter B rügte diese Vergabeentscheidung. Dabei machte er geltend, dass der Auftraggeber keine europaweite Markterkundung durchgeführt habe. Ihm als Anbieter sei keine Gelegenheit gegeben worden, seine Produkte vorzustellen. Nach Zurückweisung der Rüge durch den Auftraggeber beantragte Bieter B die Nachprüfung.

Entscheidung


Diese Nachprüfung hatte Erfolg. Der Vertrag ist nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam. Der Auftraggeber hat den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer europaweiten Bekanntmachung vergeben, ohne dass dies in dem konkreten Fall aufgrund eines Gesetzes gestattet gewesen wäre. Öffentliche Aufträge können gemäß der Regelung des §§ 14 Abs. 4 Nr. 2, 6 VgV u.a. dann im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden, wenn der Auftrag aus technischen Gründen nur von einem bestimmten
Unternehmen erbracht werden kann. Darüber hinaus darf keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung bestehen und der mangelnde Wettbewerb darf nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsparameter sein. Insoweit ist der Auftraggeber darlegungs- und beweisbelastet. Der Auftraggeber hat jedoch im vorliegenden Fall nicht belegen können, dass Bieter A das einzige Unternehmen ist, das seine Anforderungen an den Beschaffungsbedarf erfüllen kann. Die Ausführungen im Vergabevermerk lassen bei einigen Funktionen schon nicht erkennen, welcher konkrete Beschaffungsbedarf überhaupt besteht. Darüber hinaus ist der Auftraggeber aufgrund seiner unzureichenden Markterkundung von unzutreffenden Funktionsumfängen möglicher Alternativprodukte ausgegangen. Der Nachweis des objektiven Fehlens von Wettbewerb muss durch eine umfassende Marktanalyse in Form von ernsthaften Nachforschungen auf europäischer Ebene erfolgen. Dabei kann die Markterkundung zwar grundsätzlich durch eine Internetrecherche erfolgen. Eine solche reicht jedoch dann nicht aus, wenn bei einem Anbieter aus anderen Quellen gewonnene Informationen herangezogen werden, wie hier Informationen aus Vorgesprächen, oder im betreffenden Marktsegment nicht alle Informationen frei im Internet zugänglich sind. Beide Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt.

Praxishinweis


Grundsätzlich besteht in Krankenhäusern regelmäßig, insbesondere aus technischen Gründen, das Anliegen ein Verhandlungsverfahren mit nur einem Bieter zu durchzuführen. Dies ist jedoch nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig. Voraussetzung hierfür ist, dass nur ein Wirtschaftsteilnehmer objektiv in der Lage ist, den Auftrag auszuführen bzw. die Leistung erbringen zu können. Um dies nachweisen zu können, müssen Auftraggeber eine europaweite Markterkundung durchführen. Dabei ist mit Blick auf den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zwingend erforderlich, dass allen in Betracht kommenden Unternehmen die gleichen Möglichkeiten eingeräumt werden, ihr Produktportfolio zu präsentieren. Dass dieser Voraussetzung genüge getan wurde, muss zweifelsfrei nachgewiesen werden können.

Grundsätzlich empfehlen wir in solchen Fällen auch die Bekanntmachung einer Vorinformation im EU-Amtsblatt.

Gerne prüfen wir für Sie, ob die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb bei einer Beschaffung in Betracht kommt, und unterstützen Sie bei der rechtssicheren Durchführung des Vergabeverfahrens.


Ihre Ansprechpartner

Carola Hollnack
Geschäftsführende Gesellschafterin
Rechtsanwältin
Fon: +49 (0) 6131 - 2 04 78 - 97
Mail: chollnack@dornbach.de

Linda Egler
Geschäftsführerin
Rechtsanwältin
Fon: +49 (0) 681 8 91 97 - 46
Mail: legler@dornbach.de

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