Umsätze innerhalb der umsatzsteuerlichen Organschaft steuerpflichtig?

Nachdem der EuGH am 01.12.2022 in zwei Urteilen die Unionsrechtskonformität der deutschen Organschaftsregelung grundsätzlich bestätigte (vgl. Beitrag vom 08.12.2022) aber noch Einzelfragen offengeblieben sind, wurde die Reaktion der beiden vorlegenden Senate des Bundesfinanzhofes mit Spannung erwartet.

Vorsicht bei Outsourcing-Bestrebungen

Was jedoch von den meisten wohl nicht erwartet wurde, war die erneute Vorlage des V. BFH-Senats (Vorlage vom 26.01.2023, V R 20/22) an den EuGH anstelle eines Urteils in der vorliegenden Rechtssache. Da die Äußerungen des EuGH in seinem Dezember-Urteil einen umfassenden Interpretationsspielraum eröffneten, soll nun geklärt werden, ob entgeltliche Umsätze zwischen Gesellschaften des Organkreises (sog. Innenumsätze) entgegen der ständigen Rechtsprechung des BFH dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen. Sollte die Frage der generellen Steuerbarkeit von Innenumsätzen verneint werden, fragt der BFH zudem, ob steuerbare und ggf. steuerpflichtige Umsätze innerhalb des Organkreises zumindest in den Fällen vorliegen könnten, in denen der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Die Vorlagefrage des BFH und auch die darin vertretene Argumentationslinie für eine eventuelle Steuerbarkeit der Innenleistungen erschüttert die Manifeste der umsatzsteuerlichen Organschaft erneut und sorgt wieder einmal für große Rechtsunsicherheit. Insbesondere bei Organschaften mit steuerfreien Ausgangsumsätzen (z.B. Gesundheitsbranche, Banken, Versicherungen) oder Unternehmen der öffentlichen Hand resultieren aus der Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze in der Regel erhebliche finanzielle Vorteile. Sollte sich die bisherige Beurteilung ändern, müssten die Strukturen vermutlich umfassend angepasst werden. Die vorgenannte EuGH-Vorlage sollte bei anstehenden Outsourcing-Bestrebungen dringend mit in den Fokus genommen werden.

Organschaft ohne Stimmrechtsmehrheit?

Der XI. BFH-Senat bestätigt, dass der Organträger zum einzigen Steuerpflichtigen einer Mehrwertsteuergruppe (Organschaft) bestimmt werden kann, wenn er in der Lage ist, seinen Willen in der Gruppe durchzusetzen. Die deutsche Regelung ist insoweit unionrechtskonform.

Zudem änderte der BFH (Urteil vom 18.01.2023, XI R 29/22) seine bisherige Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung. Zukünftig sollen bei Vorliegen einer Geschäftsführeridentität (starke organisatorische Eingliederung) eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft sowie (lediglich) 50 % der Stimmrechte ausreichend für eine (schwach ausgeprägte) finanzielle Eingliederung sein. Bisher wäre diese an der nicht vorliegenden Mehrheit der Stimmrechte gescheitert.

Abschließend betont der BFH in seinem Urteil, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Organschaft bei Schwestergesellschaften festhält. Eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften ohne Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters ist auch weiterhin nicht möglich, da es an einer „eigenen Mehrheitsbeteiligung“ fehlt.

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Ihr Umsatzsteuer-Kompetenzzentrum
Birgit Bachmeyer, Philipp Breker, Torsten Ewen, Sven Janken, Tobias Melzer, Dr. Chantal Naumann, Sandra Wichern und Nicola Wilks

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