Verlustnutzung als Restrukturierungsbeschleuniger

Gerät ein Unternehmen in die Krise und ist der Unternehmer handlungswillig, stehen ihm zahlreiche Sanierungswege offen. Diese sind in letzter Zeit, mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen um ein weiteres Instrument erweitert worden, das es ermöglicht das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Der Vorteil des präventiven Restrukturierungsrahmens ist, dass er bereits vor der Insolvenzreife ansetzt, d.h. zu einem Zeitpunkt, in dem noch verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung stehen.

Im Kontext der außergerichtlichen und gerichtlichen Sanierung werden regelmäßig verschiedene Rettungsszenarien durchgespielt. Diese reichen vom „einfachen“ Schuldenschnitt über Vereinbarungen mit Gläubigern bis hin zu komplexeren Gestaltungen, die mittels Restrukturierungsplan oder Insolvenzplan umgesetzt werden. Für das Gelingen der Sanierung sollten dabei auch die steuerlichen Folgen jenseits von § 3a EStG in den Blick genommen werden. Häufig ermöglicht eine steuerliche Strukturierung hier Vorteile zu heben und zusätzliches Sanierungspotential zu erschließen. Richtig angewandt kann sie aber auch einen zusätzlichen (fehlenden) Impuls setzen, um schleppende Sanierungsbemühungen zu beschleunigen oder erforderliche Entscheidungen zu treffen. Dies fällt in der Regel dann leichter, wenn sich aus einer Maßnahme steuerliche Vorteile ergeben. Zur Erweiterung der wirtschaftlichen Handlungsspielräume und für die Sanierungsfreundlichkeit des Steuerrechts hat insoweit auch das Urteil XI R 6 /20 vom 22.2.2021 des BFH beigetragen. 

Der nachfolgende Fall ist einfach und spielt sich in gleicher Weise häufig in der Sanierungspraxis ab:

Eine GmbH ist in der Krise. Der Gesellschafterkreis besteht aus den Anteilseignern, hier bestehend aus natürlichen Personen. Um die Gesellschaft vor dem völligen Zusammenbruch zu bewahren, beschließen die Gesellschafter einen Restrukturierungsplan. In diesem werden zahlreiche Maßnahmen zur Reorganisation der Unternehmensbereiche beschlossen, unter anderem auch Änderungen im Gesellschafterkreis. Für die Umsetzung soll ein Teil der Gesellschafter ihre Geschäftsanteile an die übrigen Gesellschafter übertragen. Einen Kaufpreis hierfür erhalten sie nicht. Nach der Sanierungsvereinbarung steht die Übertragung der Anteile in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verzichtserklärung für die Rückzahlung einer stillen Beteiligung und Einlagerückzahlungsansprüche anderer Gesellschafter. Im sich anschließenden Rechtsstreit war zu klären, ob es sich bei der gewählten Gestaltung um eine Veräußerung der GmbH-Anteile (§ 17 EStG) handelt oder um einen freiwilligen Anteilsverzicht.

Dem freiwilligen Anteilsverzicht hat der BFH in seinem Urteil eine Absage erteilt. Anders als das Finanzamt und das Finanzgericht sah er die Voraussetzungen der Veräußerung als erfüllt an. Sie hat zur Folge, dass der die Anteile abtretende Gesellschafter einen steuermindernden Veräußerungsverlust realisieren kann. Die Veräußerung setzt im Wesentlichen die Übertragung von Anteilen gegen Entgelt voraus. Sie erfolgt nach Auffassung des BFH entgeltlich, wenn ihr eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Es kommt nicht darauf an, ob die Übertragung freiwillig oder unfreiwillig erfolgt oder ob ihr ein Rechtsgeschäft oder gar ein hoheitlicher Eingriff zu Grunde liegt. Dem gegenüber liegt im freiwilligen Anteilsverzicht eine unentgeltliche Übertragung vor, wenn der Übertragene dem Empfänger eine freiwillige Zuwendung machen will. Bei Verträgen unter fremden Dritten sei dies regelmäßig nicht anzunehmen, wenn keine Anhaltspunkte für eine Schenkungsabsicht unter den Vertragspartnern ersichtlich seien. Daraus folge eine widerlegliche Vermutung für das Vorliegen eines entgeltlichen Geschäfts, wenn es sich bei den Vertragsparteien um fremde Dritte handelt.

Für die Restrukturierungspraxis lassen sich aus dem Urteil folgende Schüsse ziehen:

  • Bei Anteilsübertragungen in Zusammenhang mit Restrukturierungsplänen kommt der Gesellschaftervereinbarung eine erhebliche Bedeutung zu. Insbesondere ist es für die Beurteilung als entgeltliches Geschäft maßgebend, dass der wirtschaftliche Zusammenhang der Anteilsübertragung im Zusammenhang mit anderen Sanierungsmaßnahmen deutlich wird. Daher sollte auf die Formulierung und den wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung ein erhöhtes Augenmerk gelegt werden.
  • Gerade bei Sanierungen außerhalb des Insolvenzverfahrens oder bei Restrukturierungsplänen kann das Urteil Sicherheit bringen, dass bei Kapitalmaßnahmen im Gesellschafterkreis entgeltliche Übertragungen vorliegen, die zu steuerlich relevanten Verlusten im Privatvermögen des GmbH-Gesellschafters führen.
  • Die sich daraus ergebenden Steuervorteile sollten bei der Wirtschaftlichkeit einer Sanierung und ggf. bestehender Gesellschafterbeiträge berücksichtigt werden. Der steuerlich sofort verrechenbare Verlust auf Ebene der Gesellschafter bietet dann einen zusätzlichen steuerlichen Anreiz für die Durchführung und Sanierung des Unternehmens. Ebenso kann er ein zusätzliches Argument darstellen zögerliche Restrukturierungsbemühungen zu beschleunigen ohne, dass es zu einem zwangsweisen Entzug der Anteile kommen muss.
  • Konkrete Sanierungsbemühungen sollten so ausgestaltet werden, dass die Gesellschaftervereinbarungen eine ausreichende Verknüpfung der verschiedenen Maßnahmen im Gesellschafterkreis sicherstellen und Augenmerk auf die notwendige Darstellung der wirtschaftlichen Zusammenhänge und den tatsächlichen Willen der Parteien legen.
  • Die Anerkennung des steuerlichen Verlustes des sich an der Restrukturierung beteiligenden Anteilseigners nimmt diesen aber auch in die Pflicht. Will er den Verlust nutzen und eine Steuererstattung als „Kompensation“ für den Verlust der Anteile erhalten, sollte er geleistete Gesellschafterbeiträge rechtzeitig dokumentieren und die erforderlichen Nachweise für historische und nachträgliche Anschaffungskosten beschaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Verluste auch in voller Höhe berücksichtigt werden und der erhoffte Steuervorteil eintritt.

Für weitere Fragen stehen Ihnen Ihre gewohnten Ansprechpartner sowie der Autor, Rechtsanwalt und Steuerberater Frederik Karnath, gerne zur Verfügung.

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