Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen - Digitale Versammlungen bei Vereinen

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten Sie heute über eine aktuelle Tätigkeit des Gesetzgebers informieren, der am 1. Juli 2022 (Drucksache Deutscher Bundestag 20/2532) eine Gesetzesinitiative zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlung im Vereinsrecht eingebracht hat. Zum Hintergrund:

Bekanntlich ist es so, dass nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm eine digitale Mitgliederversammlung nur dann als Ausnahmefall der eigentlich gesetzlich vorgesehenen Präsenzversammlung (§ 32 Abs. 1 S. 1 BGB) durchgeführt werden konnte, wenn der Verband entsprechende Regelungen in der Satzung vorgesehen hatte (OLG Hamm, Beschluss vom 27. September 2011, Az. 27 W 106/11). Viele Verbände hatten ihre Satzung jedoch nicht angepasst, sodass Mitgliederversammlungen im klassischen Sinne nur und ausschließlich als Präsenzversammlungen durchgeführt wurden. Während der Corona-Pandemie wurde dies bekanntlich aufgrund der Beschränkungen bei Versammlungen zum Problem, sodass der Gesetzgeber in § 5 GesRuaCOVBekG (COVMG) es den Vereinen und Stiftungen ermöglicht, auch ohne entsprechende Regelung in der Satzung Mitgliederversammlungen in digitalen Formaten, schriftlichen Formaten und im Umlaufverfahren durchzuführen, wobei das Umlaufverfahren für Großverbände aufgrund der geradezu illusorischen gesetzgeberischen Mindestbeteiligungsquote von 50 % aller Mitglieder für die Praxis ausgeschieden ist.

Diese Sonderregelungen laufen zum 31. August 2022 aus.

Vor diesem Hintergrund hat sich der Gesetzgeber entschieden, die Regelungen aus der Covid-19-Gesetzgebung jedenfalls insoweit zu verstetigen, dass auch ohne Anordnung in der Satzung eine digitale Versammlung möglich ist. § 32 BGB sollte deshalb um einen neuen Abs. 1a ergänzt werden, der folgenden Wortlaut haben soll:

„(1a) Der Vorstand kann auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der Bild- und Tonübertragung teilnehmen und Mitgliederrechte auf diesem Wege ausüben können."

Diese Regelung würde also zumindest in Teilen all denjenigen Verbänden helfen, die am 31.08.2022 ohne entsprechende Satzungsregelung wieder in das Gebot der Präsenzversammlung zurückfallen.

Jedoch steckt der Teufel im Detail:

1. Zunächst hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich dazu entschieden, die schriftliche Mitgliederversammlung durch sog. Briefwahl nicht in den gesetzlichen Kanon möglicher Versammlungsformen aufzunehmen, sodass eine solche schriftliche Abstimmung durch Briefwahl eine entsprechende satzungsmäßige Verankerung voraussetzt. Möglich bliebe ohne Satzungsregelung nur eine schriftliche Abstimmung im Umlaufverfahren, welches nach § 32 Abs. 2 BGB aber nur möglich ist, wenn alle (!) Mitglieder hieran teilnehmen (und damit bei Großverbänden ausscheidet).

2. Weiterhin formulierte der Gesetzgeber den Begriff der digitalen Mitgliederversammlung ausschließlich durch eine „Bild- und Tonübertragung“, was dann nach dem Gesetzeswortlaut bedeutet, dass Mitgliederrechte nur über Bild- und Tonsignale ausgeübt werden können. Im engeren Wortlaut würde also eine technikneutrale Versammlung, die etwa ausschließlich in digitalen Chat-Räumen (virtuelle Abstimmungen in elektronischen Wahlräumen) stattfindet, nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen und wäre deshalb nur möglich, wenn sie in der Satzung verankert ist.

3. Hiervon zu unterscheiden ist dann noch der Fall, in dem etwa eine Mitgliederversammlung digital als Videokonferenz stattfindet und nur die Abstimmung über weitere technische Hilfsmittel (digitale Stimmplattformen) durchgeführt wird. Ob dies nach der Gesetzesfassung zulässig ist, wäre noch zu klären, da jedenfalls nach dem Wortlaut die Mitgliederrechte ausdrücklich durch Bildübertragung oder Tonübertragung (und dann nicht im elektronischen Weg etwa durch virtuelle Abstimmung) ausgeübt werden müssen. Auch dieser Fall wäre als Zweifelsfall der späteren Spruchpraxis der Gerichte unterworfen.

Vor diesem Hintergrund sollten die Verbände zur Vermeidung von Zweifeln nach wie vor von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihre Satzung über § 40 Abs. 1 BGB um eine Klausel zu digitalen und gegebenenfalls schriftlichen Mitgliederversammlungen sowie Mischformen solcher Versammlungen (sogenannte hybride Versammlungsformen) zu ergänzen, um jedenfalls eine rechtssichere Grundlage für technikneutrale Mitgliederversammlungen zu haben.

Sofern Sie weitere Fragen haben können Sie sich gerne an Ihre gewohnten Ansprechpartner oder den Autor Ralf Wickert wenden.

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