Umsatzsteuerliche Behandlung von Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen

Mit Schreiben vom 2. und 4. November 2020 hat sich das BMF erstmals zu den bereits zum 1. Januar 2019 geänderten umsatzsteuerlichen Vorschriften für Gutscheine geäußert.

Mit einer Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses wird den Rechtsanwendern nun ein Leitfaden an die Hand gegeben, dessen wichtigste Punkte näher ausgeführt werden:

  • Auf Einzweckgutscheinen (Umsatzsteuerentstehung bei Ausgabe/Übertragung) und Mehrzweckgutscheinen (Umsatzsteuerentstehung erst bei tatsächlicher Leistungserbringung) muss spätestens ab dem 2. Februar 2021 die Gutscheinart vermerkt sein.
  • Die Abgrenzung zwischen Einzweckgutschein und Anzahlung ist aufgrund der temporären Steuersatzsenkung von erheblicher Bedeutung.

Bei der Ausgabe von Gutscheinen ist aufgrund unterschiedlicher umsatzsteuerlicher Rechtsfolgen zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen zu differenzieren. Darunter fallen nicht: Instrumente, bei deren Inanspruchnahme lediglich ein Preisnachlass oder eine Preiserstattung erzielt werden, Gutscheine für Warenproben oder Muster sowie Guthabenkarten.

Einzweckgutscheine

Voraussetzungen:

  • Lieferung oder sonstige Leistung ist hinreichend konkretisiert, sodass der steuerberechtigte Mitgliedstaat (Leistungsort) sowie der auf die Leistung entfallende Steuersatz und somit die geschuldete Umsatzsteuer bei Ausgabe feststehen;
  • Identität des leistenden Unternehmers wird auf dem Gutschein angegeben;
  • der Gutschein kann auch zum Bezug mehrerer genau bezeichneter Einzelleistungen berechtigen. In diesem Fall muss der Gesamtbetrag im jeweiligen Verhältnis der Einzelleistungen aufgeteilt werden.

Bei Einzweckgutscheinen entsteht die Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins, die spätere tatsächliche Leistungserbringung ist umsatzsteuerlich unerheblich. Lieferungen gelten dort als ausgeführt, wo sich der Liefergegenstand zurzeit der Verschaffung der Verfügungsmacht, also zum Zeitpunkt der Gutscheinausgabe bzw. -übertragung, befindet (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG). Bei sonstigen Leistungen bestimmt sich der Leistungsort nach den allgemeinen Regelungen (§§ 3a ff. UStG) und ist somit insbesondere abhängig vom Status des Leistungsempfängers (B2C oder B2B).

NEU:
Hervorzuheben ist, dass als Pflichtangabe in der Rechnung die Bezeichnung der Gutscheinart („Einzweckgutschein“) sowie eine kurze Beschreibung der Lieferung oder sonstigen Leistung vermerkt sein muss. Im Rahmen der Ausführungen zu den Einzweckgutscheine geht das BMF zudem noch auf Besonderheiten im Zusammenhang mit Vertriebsketten (Handeln im eigenen und im fremden Namen), der Nichteinlösung von Gutscheinen, der Zurückerstattung des Gutscheinwerts, der Zuzahlung bei Einlösung des Gutscheins sowie der unentgeltlichen Ausgabe bzw. Übertragung eines Gutscheins (unentgeltliche Wertabgabe) ein.

Mehrzweckgutscheine

Ein Mehrzweckgutschein liegt vor, wenn der Ort und/oder der leistende Unternehmer und/oder der Leistungsgegenstand und daher die geschuldete Umsatzsteuer bei Ausgabe noch nicht feststehen. Darunter fallen beispielsweise Gutscheine, die für eine festgelegte Leistung in verschiedenen Mitgliedstaaten oder für verschiedene Leistungen mit unterschiedlichen Steuersätzen eingelöst werden können.

Die Umsatzsteuer bei Mehrzweckgutscheinen entsteht erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Erbringung der Leistung. Dabei richtet sich der Leistungsort bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach den allgemeinen Regelungen (§ 3 Abs. 5a UStG bzw. §§ 3a ff. UStG).

NEU:
Auch bei den Mehrzweckgutscheinen ist zukünftig die Gutscheinart („Mehrzweckgutschein“) in der Rechnung zu vermerken. Neben diesen Regelungen geht das BMF zudem auf Besonderheiten im Zusammenhang mit der Nichteinlösung von Gutscheinen, der Zurückerstattung des Gutscheinwerts, der unentgeltlichen Ausgabe bzw. Übertragung des Gutscheins (unentgeltliche Wertabgabe) sowie Vermittlungsleistungen (Ausgabe des Gutscheins im Namen des ausstellenden/übertagenden Unternehmers) ein.

Nichtbeanstandungsregelung

Es wird – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn ab dem 1. Januar 2019 und vor dem 2. Februar 2021 ausgestellte Gutscheine von den Beteiligten nicht entsprechend den Vorgaben des hier vorgestellten BMF-Schreibens behandelt wurden. Besonderheiten aufgrund der zeitlich befristeten Umsatzsteuersatzsenkung: Bei Ausgabe von Einzweckgutscheinen entsteht die Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins, sodass Einzweckgutscheine in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 mit den reduzierten Umsatzsteuersätzen (5 % bzw. 16 %) ausgegeben werden.

WICHTIG: Mit Schreiben vom 4. November 2020 hat das BMF seine Auffassung dargelegt, dass bei der Ausgabe von als Gutschein bezeichneten Dokumenten dennoch eine Anzahlung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) vorliegt, sofern die Ausstellung des Gutscheins für einen verbindlich bestellten Gegenstand erfolgt ist, bei dem ein späterer Umtausch, eine Barauszahlung oder eine Übertragung des Gutscheins auf einen anderen Verkäufer bzw. Käufer ausgeschlossen ist und dessen Ausstellung mit einer Abnahmeverpflichtung verbunden ist. 

NEU:
Folglich unterliegt die im 2. Halbjahr 2020 erfolgte Anzahlung (!) zunächst dem Steuersatz von 5 % bzw. 16 % und ist bei tatsächlicher Lieferung nach dem 31. Dezember 2020 auf den Steuersatz von 7 % bzw. 19 % zu berichtigen. Besonders wichtig ist daher die genaue Ausgestaltung im Einzelfall, bei der wir Ihnen gerne beratend zur Seite stehen.

Die Autoren: Birgit Bachmeyer, Steuerberaterin, Wirtschaftsprüferin und Dr. Chantal Naumann, Steuerberaterin

 

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