Erweiterte Katastrophenerlasse Hochwasser von NRW und Rheinland-Pfalz

Eine Woche nach Erlass der Hochwasser-Katastrophenerlasse der beiden Bundesländer NRW und Rheinland-Pfalz sind diese überarbeitet und teils umfassend erweitert worden.

Ursprüngliche Meldung:

Die Landesfinanzverwaltungen NRW und Rheinland-Pfalz haben am 16.7.2021 einen Katastrophenerlass in Kraft gesetzt. Von den Auswirkungen des Unwetters der letzten Woche betroffene Bürgerinnen und Bürger können
damit schnell und unbürokratisch unter erleichterten Voraussetzungen steuerliche Hilfsmaßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten in Anspruch nehmen. 

Im Einzelnen:
Die steuerlichen Hilfsmaßnahmen in beiden Erlassen umfassen u.a. Erleichterungen auf folgenden Gebieten:

  • Stundungs- und Vollstreckungsmaßnahmen sowie Anpassung der Vorauszahlungen: Unmittelbar von der Hochwasserkatastrophe betroffene Steuerpflichtige können bis zum 31.10.2021 unter Darlegung ihrer Verhältnisse Anträge auf Stundung der bis zu diesem Zeitpunkt bereits fälligen oder fällig werdenden Steuern des Bundes und des Landes sowie Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer/Körperschaftsteuer stellen. Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen für Stundungen sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Zudem kann auf die Erhebung von Stundungszinsen verzichtet werden. Stundungsanträge für nach dem 31.10.2021 fällige Steuern sowie Anträge auf Anpassung der Vorauszahlung sind besonders zu begründen. Im Übrigen soll bis zum 31.01.2022 von Vollstreckungsmaßnahmen bei bis zum 31.10.2021 fällig gewordenen Steuern abgesehen werden.

  • Nachweis steuerbegünstigter Zuwendungen: Statt einer Zuwendungsbestätigung genügt als Nachweis der Zuwendungen die bis zum 31.10.2021 zur Hilfe in Katastrophenfällen auf ein für den Katastrophenfall eingerichtetes Sonderkonto einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer inländischen öffentlichen Dienststelle oder eines inländischen amtlich anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege einschließlich seiner Mitgliedsorganisationen
    eingezahlt oder bis zur Einrichtung des Sonderkontos auf ein anderes Konto der genannten Zuwendungsempfänger eingezahlt werden, der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstitutes.

  • Erleichterungen bei der Mittelverwendung: Steuerbegünstigte Körperschaften dürfen Mittel, die sie im Rahmen einer Sonderaktion für die Hilfe von Opfern des Hochwassers erhalten haben, auch für den Fall, dass sie keine mildtätigen Zwecke verfolgen, ohne entsprechende Änderung ihrer Satzung für den angegebenen Zweck verwenden. Auf die Sonderaktion ist in der Zuwendungsbestätigung hinzuweisen.

  • Verlust von Buchführungsunterlagen: Sofern das Hochwasser Buchführungsunterlagen und sonstige Aufzeichnungen vernichtet hat, sind hieraus keine steuerlichen Folgerungen zu ziehen. Der betroffene Steuerpflichtige sollte die Vernichtung bzw. den Verlust zeitnah dokumentieren und soweit wie möglich nachweisen oder glaubhaft machen.
  • Gemeinsame Regelungen für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit:
    Die Erlasse gewähren großzügige Sonderabschreibungen u.a. beim Wiederaufbau von Betriebsgebäuden sowie bei der Ersatzbeschaffung beweglicher Anlagegüter (keine Erhaltungsaufwendungen).In Bezug auf den Wiederaufbau von Betriebsgebäuden können auf Antrag im Wirtschaftsjahr der Fertigstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren von den Herstellungs- oder Wiederherstellungskosten Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 30 % vorgenommen
    werden. Bei beweglichen Anlagegütern, die als Ersatz für vernichtete oder verloren gegangene bewegliche Anlagegüter angeschafft oder hergestellt worden sind, können auf Antrag im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 50 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorgenommen werden. In beiden Fällen ist die AfA nach Ablauf des Begünstigungszeitraums vom Restwert zu bemessen (vgl. § 7a Abs. 9 EStG, R 7a Abs. 9 und 10 EStR). Darüber hinaus kann auf Antrag in besonders begründeten Ausnahmefällen in Wirtschaftsjahren vor dem Wirtschaftsjahr der Ersatzerstellung bzw. Ersatzbeschaffung die Bildung einer Rücklage zugelassen werden. Diese Rücklage darf zusammen 30 % bzw. 50 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Ersatzwirtschaftsgüter nicht übersteigen. Die Grundsätze von R 6.5 Abs. 4 und 6.6 Abs. 7 EStR sind anzuwenden. Die Gewinnminderung durch Sonderabschreibungen und Bildung von Rücklagen darf insgesamt höchstens 600.000,00 EUR betragen. Sie darf in keinem Jahr 200.000,00 EUR übersteigen. Die Erlasse lassen jedoch höhere Sonderabschreibungen und Rücklagen mit Zustimmung des BMF im Einzelfall zu, wenn sie bei erheblichen Schäden zur Milderung der eingetretenen Notlage erforderlich erscheinen. Generell gilt, dass Versicherungsentschädigungen die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen und Rücklagen vermindern. Entsprechendes gilt bei erfolgsneutral zu behandelnden Zuschüssen. 
    Aufwendungen für die Wiederherstellung beschädigter Betriebsgebäude und beschädigter beweglicher Anlagegüter (Erhaltungsaufwendungen) können ohne nähere Prüfung als Erhaltungsaufwand anerkannt werden, wenn mit der Wiederherstellung innerhalb von 3 Jahren nach dem schädigenden Ereignis begonnen wurde und die bisherigen Buchwerte fortgeführt werden. Das gilt bei Gebäuden generell nur dann, wenn die Aufwendungen 70.000,00 EUR nicht übersteigen, wobei nach Prüfung des Einzelfalls auch höhere Aufwendungen als Erhaltungsaufwendungen anerkannt werden können. Entschädigungen sind grundsätzlich gegenzurechnen. Aufwendungen zur Wiederherstellung von Hofbefestigungen und Wirtschaftswegen können sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn der bisherige Buchwert beibehalten wird. Erhaltungsaufwendungen größeren Umfangs können auf Antrag gleichmäßig auf 2 – 5 Jahre verteilt werden.
  • Sonderregelungen für die Land- und Forstwirtschaft: Den Erlassen zur Folge kann Landwirten, deren Gewinn gem. § 13a EStG ermittelt wird, neben weiteren begünstigten Regelungen u.a. die auf den Gewinn der landwirtschaftlichen Nutzung (§ 13a Abs. 4 EStG) und die auf den Gewinn der Sondernutzungen (§ 13a Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG) entfallende Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen werden, soweit durch das Schadensereignis Ertragsausfälle eingetreten sind
    und keine Ansprüche aus Versicherungsleistungen bestehen.

  • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: Beim Wiederaufbau von ganz oder teilweise zerstörten Gebäuden gilt die für Betriebsgrundstücke getroffene Regelung entsprechend. Aufwendungen für die Beseitigung von Schäden an Gebäuden und am Grund und Boden können ohne nähere Nachprüfung als Erhaltungsaufwand behandelt werden, wenn Sie den Betrag von 70.000,00 EUR nicht übersteigen.

  • Lohnsteuer: Beihilfen und Unterstützungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer können nach R 3.11 LStR steuerfrei sein. Die besonderen Voraussetzungen der R 3.11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 – 3 LStR brauchen nicht vorzuliegen. Zinszuschüsse und Zinsvorteile bei Darlehen, die zur Beseitigung von Hochwasserschäden aufgenommen worden sind, sind ebenfalls nach R 3.11 Abs. 2 LStR steuerfrei, und zwar während der gesamten Laufzeit des Darlehens. Voraussetzung hierfür
    ist, dass das Darlehen die Schadenshöhe nicht übersteigt. Sogenannte Arbeitslohnspenden zu Gunsten der vom Hochwasser betroffenen Arbeitnehmer bleiben bei der Feststellung des steuerpflichtigen
    Arbeitslohns außer Ansatz, wenn der Arbeitgeber die Verwendungsauflage erfüllt und dies dokumentiert.

  • Aufwendungen für existenziell notwendige Gegenstände (Wohnung, Hausrat, Kleidung) als außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung und für die Beseitigung von Schäden an dem eigengenutzten Wohneigentum können im Rahmen von R 33.2 EStR als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Hervorzuheben ist, dass das Fehlen einer sogenannten Elementarschadensversicherung unschädlich ist.
    Entsprechende Aufwendungen können bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren als ein vom Arbeitslohn abzuziehender Freibetrag berücksichtigt werden.

  • Grundsteuer: Erlassanträge die Grundsteuer betreffend sind innerhalb der Antragsfrist des § 34 Abs. 2 GrStG an die Gemeinden oder das zuständige Finanzamt zu richten. Im Übrigen wird auf die allgemeinen Voraussetzungen für einen Erlass der Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderungen auf § 33 GrStG verwiesen.
  • Gewerbesteuer: Stundungs- und Erlassanträge die Gewerbesteuer betreffend sind an die Gemeinden oder an das zuständige Finanzamt zu richten.

Der Autor: René Feldgen, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Geschäftsführender Gesellschafter bei DORNBACH in Köln

Der Beitrag wurde uns zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt vom Stotax Portal, Stollfuß Medien GmbH & Co. KG, eNews Steuern, Sondernr. 1/2021 v. 20.07.2021. VIELEN DANK!


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